Blog Großstadt-Lemminge: Das Krankenhaus-Grauen

Das Krankenhaus-Grauen | Kapitel 5 der Großstadt-Lemminge

Der Hamburger Großstadt-Lemming ist in der Tat eine ganz besondere Spezies. Er vereint par Excellance eine Vorliebe für Massentierhaltung gepaart mit Anonymität und Individualismus.


Kapitel 5: Das Krankenhaus-Grauen

Hamburg, ein gewöhnlicher Tag

Unter den Großstadt-Lemminge gibt es Einige, die stets bemüht sind noch umweltfreundlicher und noch mehr tierfreundlich zu agieren – jeden Tag. Und das Tag für Tag – zumindest in ihrer kleinen Bubble. Dann muss einer der Lemming eines Tages unverhofft und völlig kurzfristig, außerhalb seiner eigenen Planung, einen kurzen Krankenhaus Aufenthalt einschieben. Die Erlebnisse hier sind ernüchternd. Nicht nur weil der Lemming rund 12 Stunden auf eine kleine OP warteten muss und damit 27 Stunden komplett nüchtern ist (frei von essen, rauchen und sonstigen Genussmitteln), sondern auch die Massivität der Datenschutz-, Umwelt- und Hygiene-Sünden, die es dort in 26 Stunden zu beobachten gibt. Das bisschen Tierleid was hier auf den Tellern zu finden ist, ist fast schon zu vernachlässigen, wenn das nicht des Lemmings‘ Top-Prioritäten wäre. Der logistische Wahnsinn, der in solchen Institutionen stattfindet bringt den Lemming zwischen Faszination und Verzweiflung. Fangen wir vorne an… nach dem Einlesen der Krankenkassenkarte bekommt der Lemming (wie alle vor und nach ihm) ein Armband – was leider nicht für ein cooles Wochenende auf einem Festival zur Schau getragen werden kann, sondern ein reiner Verstoß gegen den heiligen Datenschutz ist – denn dort wird Vor- und Nachname mit dem Geburtsdatum präsentiert und jeder der lesen kann, normal- oder kurzsichtig ist, kann es entziffern, wenn Lemming neben Lemming im Wartezimmer sitzt. Als „weitsichtiger“ Mensch wundert man sich schon sehr.
Aber weiter im deutschen Verfahren: Nachdem der Lemming erst mal die Datenschutzerklärung gelesen und unterschrieben hat, darf an mitgebrachten Hilfsmittel ein Namensschild angebracht werden (ja/nein wurde vom Lemming nie ausgewählt) – wer braucht schon DSGVO?

Zitat:
Namensschild an Hilfsmittel
Ich erkläre mich damit einverstanden, dass für die Dauer meines Aufenthalts bei Bedarf ein Namensschild an Hilfsmittel (z.B.
Rollator, Rollstuhl) angebracht wird. Sie können diese Einwilligung uns gegenüber jederzeit mit Wirkung für die Zukunft und ohne Angabe von Gründen widerrufen, ohne dass Ihnen hierdurch Nachteile uns gegenüber entstehen. Der Widerruf kann persönlich (während Ihres Aufenthaltes) oder schriftlich erfolgen.

  • Ja
  • Nein

Nach Fragebogen 78 möchte der Lemming doch bitte in einen Becher pinkeln. Gerne jetzt? Trinken ist verboten, weil man bereits zu eine OP ansteht, ohne einen Arzt gebrochen zu haben. Auf dem Becher stehen bereits Vor- und Nachname sowie Geburtsdatum. Diesen Urin bitte in der öffentlichen zugänglichen Toilette parken, während der nächste Lemming in der endlosen Schlage der Patient:innen den Becher einfach daneben stellt. Randnotiz: Lemming Lisbeths‘ Urin ist echt dunkel. Danach folgend warten auf warten und bitte haben Sie noch etwas Geduld. Die Arbeitslemminge tun ihr bestes freundlich zu sein, sind aber maßlos unterbesetzt und sowieso unterbezahlt. 3 Stunden später die offizielle Bestätigung – es muss eine OP geben. Wunderbar, der allseits beliebte Morgenkaffee bringt den frühesten OP Termin auf 14 Uhr. Die letze Zigarette (was eine vollständige Nahrung in der Welt der Anästhesie ist) bringt den frühesten OP Termin auf 16 Uhr. Nach 6 Stunden wird der Lemming als nüchtern gesehen. Andere Rauschmittel werden nicht getestet – just saying… vor der Empfindungslosigkeit bzw. Betäubung bekommt man weitere Fragebögen nach jeglichen Gebrechen… Bitte lesen Sie auch alle möglichen Nebenwirkungen und unterschreiben sie links unten… Der Lemming geht wohin ein dort arbeitender Lemming ihn schickt… nächstes Wartezimmer, neue Schlange, anderes Stockwerk… Lemminge kommen und gehen…
Der Lemming wird auf ein Zimmer geschickt – 14 Stock – was für eine Aussicht!
Plötzlich findet der Lemming Ruhe in all dem Getümmel des Krankenhauses… die ekelhaften Gerüche sind kaum noch wahrnehmbar.

7h später heisst es: ausziehen und OP Vorbereitung. Nur fühlt sich der Lemming nicht vorbereitet. Im Bett liegend mit Netz-Höschen fühlt er sich alleine unter vielen, Tür auf, Tür zu, rein in Aufzug, raus, mehr Türen und noch mehr auf – zu. Ziel: Holding Area – 3 Stunden später – immer noch Holing in dieser Area. Hallo? Kann ich mal auf Toilette… Bitte? 4 Stunden später – die 10-minütige OP – 1 Stunden später kotzend im Bett – Dank der Vollnarkose. 2 Stunden später zurück auf dem übel riechenden Zimmer – immer noch kotzend. Auf dem Weg: 17 Paar Einmalhandschuhe, 5 Paar Einmalschuhe, jede Menge einmal Spitzen, Kanülen, Einmalunterlagen, Masken und Hauben, Höschen und Einlagen, sowie Tupfer etc. verbraucht, nicht zu vergessen der Urinbecher mit allen Daten des Lemmings… der Lemming nicht fähig irgendwas zu tun, schläft einfach wieder ein… 4 Uhr morgen – alles schläft – nur der Lemming, der ist jetzt wach und möchte gerne nachhause gehen. 11.30 der Lemming darf nachhause gehen.


Großstadt-Lemminge

Blog Großstadt-Lemminge: Elben-Haft

Elben-Haft | Kapitel 4 der Großstadt-Lemminge

Der Hamburger Großstadt-Lemming ist in der Tat eine ganz besondere Spezies. Er vereint par Excellance eine Vorliebe für Massentierhaltung gepaart mit Anonymität und Individualismus.


Kapitel 4: Elben-Haft

Hamburg, ein typischer Sommer-Sonntag.

Der Großstadt-Lemming stellt sich sonntags seltenst einen Wecker – frei nach der Motto „nach der harten Arbeitswoche, hat man sich ausschlafen verdient“… Gut das die innere Uhr das anders sieht, und so öffnet der müde Lemming pünktlich um 6.25 Uhr die Augen… die Sonne scheint und die Vögel singen. Danke dafür – wach! So rollt er sich aus dem Bett, stolpert erst mal über die eigenen Hausschuhe und lässt sein Smartphone fallen – damit also wach und schlecht gelaunt. Vermutlich ist der Lemming in der Wohnung darunter nun auch wach. Aber geteiltes Leid ist ja bekanntlich halbes Leid, oder so ähnlich.

Kaffee, erst mal Kaffee… viel Kaffee, manchmal hilf viel ja auch viel. Nach dem dritten Kaffee und der fünften Zigarette, beschließt der Großstadt-Lemming den zu früh begonnen Tag zu nutzen und einen kleinen Ausflug an die Elbe zu machen.

Also rein in die U-Bahn. Die bedeutend kleine Anzahl an Lemming an einem Sonntag morgen um 7:45 Uhr nimmt der bekopfhörtem Lemming nicht wahr. Eine Hand der Coffee-to-go, andere Hand das Smartphone mit Spider-App. Musik auf den Ohren. Türen auf, raus, rein. Und noch mal: Türen auf, raus, rein. Wieder öffnen sich die Türen, raus, rein.

Landungsbrücken angekommen, verlässt der immer noch müde und schlecht gelaunte Lemming die Bahn. Auch andere Lemminge wandern müde umher – manche sind wohl noch und andere schon wieder wach. Die Gemeinsamkeit: keiner interessiert sich für den anderen. So trottet unser Lemming die Treppen zur Fähre hinunter und wartet dort auf das beliebte Hamburger Transportmittel. Nach 15 Minuten, gefühlt eine Ewigkeit, erreicht die Fähre endlich das Pier. Er möchte sitzen – die Beine sind heute aber auch besonders schwer. Und irgendwie schwankt die Fähre mehr als sonst. Und der Lemming denkt noch mal an sein bequemes Bett.

Nach kurzer Zeit findet sich der Großstadt-Lemming an seinem Lieblingsort wieder – dem Stand in Övelgönne, der Name des Stadtteils bedeutet im Übrigen „Übelgunst“ (*Nachzulesen auf Wikipedia). Elbwind um die Nase, Sand zwischen den Zehen und schon geht es besser – viel besser. Dieser elbenhafte Effekt, trifft den Lemming jedes Mal und jedes Mal fragt sich der Lemming, warum er nicht öfter an diesen Wohlfühlort geht und jedes Mal entschließt er sich es künftig öfter zu machen.

Den fünften Kaffee gönnt sich der Lemming am Standkiosk. Mit Blick auf die Elbe ist die Welt auch einfach in Ordnung. Die Elbe ist Sehnsucht, Ruhe, Heimat und Fernweh in einem.

Und plötzlich beginnt es zu regnen. #HappySunday!


Großstadt-Lemminge

Blog Großstadt-Lemminge: Regen

Regen | Kapitel 3 der Großstadt-Lemminge

Der Hamburger Großstadt-Lemming ist in der Tat eine ganz besondere Spezies. Er vereint par Excellance eine Vorliebe für Massentierhaltung gepaart mit Anonymität und Individualismus.


Kapitel 3: Regen

Hamburg, es regnet – immer noch oder schon wieder?

Die Tage blickt man in eintönige – eher trübe – Gesichter. Ist der Großstadt-Lemming in der typischen Winterdepression angekommen? Vitamin D Mangel? Liegt es an den Geschehnissen in der Welt? Oder stellt der Lemming einfach nur fest: auch 2025 hat sich nicht viel geändert? Vielleicht ist es auch ein Ausdruck der Alltagsroutine? Möglicherweise liegt es auch nur am Wetter? Auf jeden Fall gibt es eine Ausrede, um sich zu beklagen.

Es sei kurz darauf hinwiesen, dass der deutsche Lemming ein ganz besonderes Talent in dieser Hinsicht besitzt und es sorgt immerhin auch für Gesprächsstoff. Welches Thema soll man denn auch sonst mit der Kollegin erörtern. Obwohl München aufs Jahr gesehen, die gleiche Anzahl an Regentagen hat, ist es eben typisch Hamburg.

Bei der Alltagsroutine kann man versehentlich schon mal vergessen, dass man in der schönsten Stadt Deutschlands lebt. Der Lemming könnte hier über 2.496 Brücken gehen, stattdessen sitzt er in seinem Hamster-Rad, welches ihm als Lemming noch nicht mal zusteht, sonst würde es ja Lemming-Rad heißen, nicht wahr? Vielleicht fehlt ihm nur die eine Brücke, diejenige welche zwischen sich und sich.

Während der Großstadt-Lemming aus seinem Pappbecher einen Schluck Kaffee nimmt, die Kopfhörer zurecht rückt, stellt er im Fenster der U-Bahn fest, dass sein Gesichtsausdruck verdammt noch mal dem der anderen gleicht. Und er lächelt.


Großstadt-Lemminge

Blog Großstadt-Lemminge: Glühwein

Glühwein | Kapitel 2 der Großstadt-Lemminge

Der Hamburger Großstadt-Lemming ist in der Tat eine ganz besondere Spezies. Er vereint par Excellance eine Vorliebe für Massentierhaltung gepaart mit Anonymität und Individualismus.


Kapitel 2: Glühwein

Hamburg, kurz vor Weihnachten.

Es ist deutlich zu warm für diese Jahreszeit – mit freundlichen Grüßen Herr Klimawandel – ein Glück, dass über das Wetter gesprochen werden kann, denn sonst müssten sich die Lemminge ja mit Terrorismus oder Flüchtlingen beschäftigen.

Außerdem kommt auch dieses Jahr Weihnachten wieder völlig überraschend. Hoppla. Zur Beruhigung gönnt sich der Lemming zunächst einmal eines der netten Heißegetränke, welche schließlich Teil der Tradition sind.

Fleißig wie unser Großstadt-Lemming ist, wurde kurzfristig ein Plan erstellt: Besuch des Weihnachtsmarkt Stadtteil O, Geschenke online bestellen (Danke an das Internet) – bequem, immer und überall. Ach ja, dadurch bleibt noch ein wenig mehr Zeit um im Stadtteil E einen Glühwein zu trinken.

Die mit Liebe ausgewählten Geschenke für die Liebsten, müssen aber noch mit Liebe verpackt werden – deshalb ist die Wahl des Geschenkpapieres eine der essentiellen Entscheidungen in diesen Zeiten. Rot-Grün mit Silber-Applikationen oder doch eher Grün-Rot mit Gold-Applikationen. Nach so schweren Beschlüssen genehmigt der Lemming sich erst mal einen weiteren Glühwein.

Besinnlich Besonnen ist er auch kurz dankbar für den überflüssigen Luxus-Scheiß, welchen er hochachtungsvoll würdigt und in Gedanken an Herrn Rudolf Kunzmann, dem Erfinder des Glühweins, hebt er das Glas.

Zurück zum Plan: im Stadtteil S gibt es dann noch die alljährliche Weihnachtsfirmenfeier. Die Benchmark für den Erfolg dieses Abends ist, wie lange wird im Januar darüber gesprochen bis die Stromnachzahlung das Thema ablöst.

So nur noch 1 Schokoladenstücke im Kalender – Bedeutung: Amazon Prime Kunde werden, damit die letzten Geschenke rechtzeitig da sind, um mit dem explizit ausgewähltem Geschenkpapier schmeichelnder Natur umhüllt zu werden. Dann noch kurz nach Feierabend einen Stopp am Weihnachtsmarkt im Stadtteil S einplanen, natürlich nur auf einen Glühwein. Schließlich geht es zu Weihnachten um die Liebe.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten, gezeichnet der Großstadt-Lemming.


Großstadt-Lemminge

Blog Großstadt-Lemminge: U-Bahn

U-Bahn | Kapitel 1 der Großstadt-Lemminge

Der Hamburger Großstadt-Lemming ist in der Tat eine ganz besondere Spezies. Er vereint par Excellance eine Vorliebe für Massentierhaltung gepaart mit Anonymität und Individualismus.


Kapitel 1: U-Bahn

Hamburg, Mittwoch, 7.23 Uhr.

Im Takt des Großstadt-Orchesters trottet er neben den vielen Anderen einher. Die Türen der U-Bahn öffnen sich, eine Masse schiebt sich raus und eine andere rein. Meist gibt es hier keine Berührungen.

Er möchte sitzen. War er nicht eben stundenlang gelegen? Wird er nicht gleich viele weitere Stunden sitzen?

Die Gesichter sind morgens alle ziemlich gleich und doch anders. Die verschiedensten Ausprägungen der Spezies Lemming treffen hier aufeinander. Alt, jung, verschiedene Farben und Religionen, mit Krawatte oder ohne Schuhe. Individuell und anonym.

Wieder öffnen sich die Türen. Masse raus, Masse rein.

Es gibt kaum Gespräche, aber viele Smartphones. Die Finger bewegen sich routiniert und schnell, der Rest des Lemming-Körpers ist eher starr.

Der Sing-Sang des Transportmittels findet keine Beachtung. Türen auf, raus, rein. Man danke dem, der den „coffee-to-go“ erfunden hat und fragt sich wie das Leben nur ohne dieses Mitnehm-Koffein zu meistern war. Damals hatte man immer diese Hand frei, was hat man mit ihr getan?

Eine weitere scheinbar lebenswichtige Errungenschaft sind Kopfhörer, ohne die sich kaum einer der Großstadt-Lemminge vor die Türe begibt. Sei es Betäubung, Ignoranz oder Distanz, die damit geschaffen wird – die Meisten wollen diese Beschallung und merken nicht, was sie damit verpassen.

Türen auf, raus, rein.

Die Lemminge-Truppe schiebt sich wie eine geschlossene Front weiter durch die vorgegeben Wege des U-Bahnsystems. Ein alter Lemming verlangsamt die Herde und bekommt einen hilfreichen Arm gereicht. Kurz verändern sich ein paar Gesichter und dann marschiert man weiter.

Erst wenn die Lemminge wieder dem Tageslicht ausgesetzt sind, gibt es unbemerkte Trennungen und Vereinigungen. Links. Rechts. Gerade aus. Ampel rot, alles stoppt. Ampel grün, weiter geht es. Mit der Zeit werden die Reihen lichter, aber auch dies bleibt dem bekopfhörtem Lemming verborgen.

Ziel erreicht. Ein Schreibtisch wartet. Möge der Alltag beginnen.


Großstadt-Lemminge